Künstler Alexandra Bircken und Nicole Wermers
Titel Anti Baby Pille
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"We are going into absolutely unexplored ground in terms of public opinion."

(Zitat des Verkaufschefs der Firma Searle zur Einführung der ersten Antibabypille "Enovid" in den USA, 1957)

Die flächendeckende Einführung der Antibabypille Anfang der 1960er Jahre markierte eine Epochenwende im gesellschaftlichen Umgang mit dem weiblichen Körper, der jedoch durch die abhängige Stellung der Frau innerhalb der westlichen Industrienationen zunächst kaum Aufmerksamkeit fand.
Die erste Pille "Enovid" wurde 1960 in den USA von der Firma Searle auf den Markt gebracht. Bereits 1 1/2 Jahre später gaben bei einer Umfrage über eine halbe Millionen Frauen an, dass sie die Pille gegen Menstruationsprobleme und nicht primär zur Verhütung einsetzen würden.

Die Ausstellung "Anti-Baby Pille" ist die erste gemeinschaftliche Produktion von Alexandra Bircken und Nicole Wermers, in der die Künstlerinnen von ihrer sonst primären skulpturalen Arbeitsweise zurücktreten, um sich mit visuellen Reflexionen auf diese stille Revolution auseinanderzusetzen. Sie produzieren Werbeposter für eine global längst etablierte Ware.

Es handelt sich um das Einsickern eines neuen Körpersystems, um dessen nicht mehr mechanische, also äußerliche, sondern chemische, als innere Regulierung. Die tägliche Einnahme, die hiermit verbundene hormonelle Begradigung des Körperzyklus und die damit erzielte Handhabbarkeit der reproduktiven Körperfunktionen beschreiben nicht nur einen individuellen Machtgewinn über den eigenen Körper sondern gleichzeitig eine verschärfte gesamtgesellschaftliche Regulierung seiner Funktion in der bürgerlichen Welt.
Die Pille ist ein Verhütungsmittel, das unsichtbar bleibt, es erzeugt keine mechanische Wirkung, sondern wirkt chemisch im Verborgenen. Alex Bircken greift mit ihren Plakaten genau diesen Vorgang didaktisch auf. Sie zeichnet nach, was sich unsichtbar im Körper abspielt und benutzt hierfür genau das Zeichenvokabular, das uns allen aus dem Sexualkundeunterricht bekannt ist. Hier wird der chemische Prozess auf mechanische Wirkungsabläufe zurückgeführt und somit visuell neu erschlossen.

Nicole Wermers zitiert mit ihren Posterentwürfen visuelle Analogien. Sie verändert den Blick auf ihre eigene Produktion und stellt die formalen Eigenschaften von Collagen und Skulpturen hier in einen scheinbar immer schon in ihnen präsenten Inhalt. Ihre Kunstwerke werden zum visuellen Arsenal einer ihnen vollkommen äußerlichen Ware.

Die Künstlerinnen werben für ein Produkt, das sich zum einen längst als Ware auf dem Markt durchsetzte, dessen medizinische und gesellschaftliche Wirkung jedoch nie aus der Diskussion geriet. Die hiermit entworfene Produktidentität und das damit einhergehende Konzept der Verhütung wird von einer rigiden Verteilung der Geschlechterrollen innerhalb der reproduktiven Staatsgemeinschaft gestützt. Immer noch ist die Pille omnipräsent - ein Produkt, das vermutlich den grössten körperlichen Einflussbereich, die grösste Ausbreitung und eine der folgenreichsten Nebenwirkungstabellen aufweist.